Ephraim Kozodoy '21 | Kurzgeschichte - Der Angriff

Die Schifferin, wie es ihre allnächtliche Gewohnheit war, lag betrunken und schnarchende in ihrer Schlafkoje, als der Torpedo in der Mitte der SS Prinz Oskar detonierte. Sie wachte auf mit dem Geräusch des dumpfes Torpedoschlags, das um ihre Kabine widerhallte und sie dachte, oder hoffte, dass es nur ein besonders schrecklicher Kater war. Sie schüttelte Nebel aus ihren Kopf und Empörung ersetzte schnell ihre vergebliche Hoffnung. Wohin kommt diesen Angriff? Sind wir echt im Krieg? Mit wem? Und—aber ihr verzweifeltes und flüchtiges, innerliches Selbstgespräch wurde von dem zweiten Anschlag, der die Kapitänskabine und das umliegende Gebiet ausradierte, unterbrochen.



Der Erste Offizier wachte ebenfalls von dem Klang auf. Der fünfzigjährige Kölner bedankte sich bei seiner lebenslangen Nüchternheit für die schnellen Reflexe, die er schon nach vielen Jahren auf dem Meer und in dem Himmel behaltete. Er war fast durch die Tür seines schrankartigen Schlafzimmers, als der zweite Anschlag ihn auf den harten Boden des Zwischendecks warf. Der grauhaarige Matrose kam wieder auf die Beine und rastete sich treppauf an dem Oberdeck. Ich sollte hier sein, als sie ankommen, dachte er an sich selbst, und mit meiner herzlichsten Begrüßung.



Die junge Hafenlotsin, die, vor den beiden Explosionen in dem Steuerhaus eine alte und abgenutzte Kopie von „Die Leiden des jungen Werthers“ gelesen hatte, ging an dem Deck und suchte nach einer Erklärung der Schlägerei. Hafenlotsin Ilse Bauer sah eine Szene von Feuer, Zerstörung, und Tumult—zwei gähnende Löcher in den Hauptflügel, durch ein von denen sie den dunkelblauen Pazifik sehen konnte. Ein schneller Blick in Richtung der Kapitänskabine informierte sie, dass keine neuen Aufträge von der Kapitänin kommen würden. Sie sah zum Heck des Schiffes und stellte den Schaden fest. Der erste Torpedo hat einer der beiden großen Dampfmotoren zerstört, und der andere bewegte sich von selbst nicht mehr—ein schlechtes Zeichen für die Zukunft dieses Schiffes. Ein schlechteres Zeichen war die auffällige backbordseitige Neigung des Schiffes.

SS Prinz Oskar

Die dreimalverdammten Backbordheliumtanken wurden durchstochen, dachte die Frau und sie rannte zurück in das Steuerhaus. Mit ihrem ganzen Gewicht konnte sie das Steuerrad sehr langsam zu Steuerbord rotieren. Als das Schiff ein ebenem Kiel erreichte, Ilse zurrte das Steuerrad fest, aber sie konnte nicht den Verlust von Höhe kontrollieren. Sie zog die Steuerradsäule mit alle ihre Kraft zurück, aber die Heliumverluste waren zu groß und das Schiff fuhr an seiner Abwärtsbahn fort.

Verdammte Scheiße! Und der Maschinist von der Firma hat gesagt—ach, halt’s Maul, Ilse! Du weißt, was Wert die Garantien von der Firma nach zwei Torpedoanschläge hat.

„Verdammt!“ schrie sie laut und sie rannte aus dem Steuerhaus, um eine andere Person zu finden, die ihr mit dem Steuerrad helfen könnte. Sie drehte sich und wollte gerade über den Hauptflügel zu dem nächsten Luk, aber eine standhafte Hand an ihrer Schulter hat sie gestoppt.

„Warten Sie!“ kam die schroffe Stimme von Chefingenieurin Ziegenmelker. Die Hafenlotsin drehte sich um und sie sah die muskulöse Maschinistin mit ihrem vierzehnjährigen Sohn, der sich an der SS Prinz Oskar als Maschinenmaat für diese Fahrt zum ersten Mal verpflichtet hat.

„Warten Sie!“ wiederholte Ziegenmelker laut, um durch den schreienden Wind gehört zu werden. „Wir können  diese Krise noch überleben, wenn wir unsere Ruhe bewahren“ die fettfleckige Frau sagte, „aber nicht an Bord der Prinzens. Wir müssen zu den Rettungsbooten.“ 


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